Bodenspekulation in Altona

Holstenareal:

„Knallt am dollsten“ gegen dasInvestoren-Monopoly

150 Mio. Spekulationsgewinn? - Das regelt der Markt - sagt Olaf Scholz
Share Holsten - Not Deals!

Eines der größten Neubauvorhaben Hamburgs droht zum Spielball von Investoreninteressen zu werden: Es handelt sich um das Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei im Norden Altonas. Nach dem Umzug der inzwischen zu Carlsberg gehörenden Firma nach Heimfeld wechselte das Gelände mittlerweile viermal denBesitzer.

Ursache für den Immobilienpoker: Um die Brauerei in den Grenzen des Stadtstaats zu halten, hatte die Freie und Hansestadt unter Federführung des damaligen Scholz-Senats auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet und entsprach damit Carlsbergs Wunsch, das Gelände auf dem freien Markt zu verkaufen. Ein folgenschwererFehler, wie sich erweisen sollte. Wie ein Wanderpokal wechselte das Gelände danach den Mehrheitseigner:von der Gerch Group zur Schweizerischen SNN Group, die im nächsten Schritt von Consus übernommen wurde, die nun wieder von ADO/Adler geschluckt wurde.Der Clou dabei: Es handelt sich um sogenannte ShareDeals, in deren Rahmen keine Grundstücke, sondernFirmenanteile verkauft werden. Dadurch wird das städtische Vorkaufsrecht ausgehebelt und es wird keine Grunderwerbssteuer gezahlt.

Während lokale Wohnungsunternehmen 50 Mio. Eurogeboten hatten, verkaufte Carlsberg das Gelände für153 Mio. an die Gerch Group. Bei der letzten Übernahme sollen bereits 320 Mio. geflossen sein. Ohne dass ein Spatenstich getan wurde, erfuhr die Immobilie so eine enorme Preissteigerung. Um die damit verknüpften Renditeerwartungen erfüllen zu können, wird mittlerweile von Mietpreisen von 19,90 Euro netto kalt pro qm für die frei finanzierten Wohnungen gesprochen. So würde ein Viertel entstehen, wo Wohnen nur noch für Gutverdienende erschwinglich wäre, verbunden mit dem entsprechendem Preisdruck und Gentrifizierungseffekten auch für die umliegendenQuartiere. Für eine solidarische Stadtentwicklung wäre das Holstenareal damit unwiederbringlich verloren.Um dies zu verhindern, haben wir unter dem Namen„Knallt am dollsten“ eine neue Initiative gegründet, die im letzten Oktober mit einer großen Informationsveranstaltung in der Aula der Theodor-Haubach-Schule an die Öffentlichkeit trat (zum Nachhören: www.youtube.com/watch?v=Zk8OSTT20gU). In ihr haben sich verschiedene Baugemeinschaften und Bewohner*innen des Holstenareals zusammengeschlossen, die sich für ein Recht auf Stadt für alle und ein lebendiges, diverses und bezahlbares Quartiereinsetzen. Um diese große Chance nicht endgültig zu vermasseln, darf der Bezirk, der mit dem städtebaulichenVertrag ein letztes Druckmittel in der Hand hat, in den Verhandlungen mit dem Investor nicht einknicken und so ein erstes Versagen durch ein zweites verdoppeln.

Auch wenn trotz aller anderslautenden Rhetorik, wie sie zuletzt von Rot-Grün zu hören war, verschiedeneSignale befürchten lassen, dass der Bezirk sich mächtigenKapitalinteressen bei weitem nicht entschieden genug entgegenstellt: Der Drops ist noch nicht gelutscht.Wir werden uns weiter für ein lebenswertes Holstenareal für alle einsetzen und uns mit gleichgesinntenInitiativen vernetzen. Unser Engagement folgt der Vision einer freien Stadt der Zukunft, die an denBedürfnissen der Menschen und nicht am Ziel derProfitmaximierung orientiert ist.


Wir fordern:

Forderung 1:

Schluss mit dem Investorenpoker um das Holstenareal – Städtisches Vorkaufsrecht wahrnehmen

Die Stadt muss alle Möglichkeiten prüfen und ausschöpfen, um das Grundstück dem Investor abzukaufen und zu kommunalisieren. Die Inanspruchnahme des Vorkaufsrechts ist dabei das zentrale Instrument. Weiterverkäufe von Firmenanteilen im Rahmen von Sharedeals dürfen davon nicht ausgenommen werden. Wir schließen uns hierbei der Initiative von Bizim Kiez u.a. in Berlin (1) anund unterstützen auch die entsprechende Initiative derBürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen (2). Hier wie bei anderen zentralen Forderungen gilt aber: Es darf nicht bei leerer Rhetorik bleiben: Den Worten müssenTaten folgen!

Forderung 1:

Kein Zurückweichen vor dem Investor

Die Verhandlungen mit dem Investor sollten nicht unterZeitdruck erfolgen. Kein übereilter Abschluss eines städtebaulichenVertrages, der das letzte Druckmittel derStadt ist, solange der Investor nicht den für eine solidarische und Gemeinwohl orientierte Stadtentwicklung auf dem Holstenareal essentiellen Rahmenbedingungen zugestimmt hat. Es muss durch geeignete MaßnahmenDruck auf den Investor ausgeübt werden. Instrumente dafür können z.B. ein Moratorium oder Planungsstreik sein.

Forderung 3:

Wohnen ist ein Grundrecht und muss bezahlbar sein

Hamburg braucht Wohnraum, den sich alle Hamburger*innen leisten können, auf dem gesamten Holstenareal! Wir fordern dauerhaft bezahlbare Mieten. Die zukünftige Kaltmiete auf dem Holstenareal darf den aktuellenMietenspiegel nicht übersteigen. Es dürfen keine Gentrifizierungsprozesse in Gang gesetzt werden und kein Preisdruck auf den umgebenden Stadtteil aufgebaut werden.

Forderung 4:

Schutz der Bestandshäuser und ihrer Bewohner*innen

Die Bewohner*innen der 11 Bestandshäuser auf dem Holstenareal fordern die Politiker*innen auf, sie vor Verdrängung zu schützen. Jede Neuplanung des Holstenareals muss sozialverträglich sein. Mögliche für die Bestandsbewohner*innen negative Auswirkungen müssen durch alle geeigneten Maßnahmen verhindert werden.Weiterer Immobilienspekulation muss Einhalt geboten werden.

Falls Bestandshäuser, die jetzt im Privatbesitz sind, veräußert werden, muss die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausüben.Die Bestandshäuser müssen bei Abriss- oder Baumaßnahmen umfassend vor Beschädigung geschützt werden und in ihrer baulichen Substanz als Wohnraum erhaltenbleiben. Maßnahmen müssen vorab kommuniziert werden.

Forderung 5:

Baugemeinschaften möglich machen

Die im Letter of Intent festgehaltenen 20 Prozent für Baugemeinschaften im BereichWohnen dürfen nicht aufgeweicht werden. Die entsprechenden Baugemeinschaften sollten genossenschaftlich oder mit genossenschaftsähnlichen Gesellschaftsformen organisiert sein, um als Anker für eine solidarische Stadtentwicklung zu dienen. Der durch das Elektrosmog-Gutachten bedingte Verlust von Wohnungen an der Bahntrasse darf nicht zu ihren Lasten gehen, ein Ausgleich an anderer Stelle muss gewährleistet werden – keine Anrechnung der Baugemeinschaften für Gewerbe auf das Wohnen.

Um kollektives Wohnen und Bauen möglich zu machen, darf der Grundpreis von 600Euro pro Quadratmeter Grundstückspreis nicht überschritten werden. Die Stadt muss die benötigten Grundstücksflächen vom Investor ankaufen.

Forderung 6:

Gewerbeflächen für die Bewohner*innen schaffen


Wir begrüßen, dass nun auch für Gewerbeflächen Baugemeinschaften vorgesehen sind.Die Stadtgesellschaft hat mit selbstorganisierten und genossenschaftlichen Modellen wie z.B. der Fux Genossenschaft, dem Gängeviertel oder dem Handwerkerhof Ottensen gute Erfahrungen gemacht.

Aber auch die Mieten für Gewerbeflächen müssen erschwinglich sein und kleinteiligemGewerbe, das an den Bedürfnissen des Stadtteils und seiner Bewohner*innen orientiert ist, Platz geben. Wohnen und Gewerbe müssen so gemischt sein, dass eine Grundversorgung in allen Bereichen möglichst weitgehend garantiert ist.

Die denkmalgeschützte ehemalige Schwankhalle der Holsten-Brauerei bietet dafür eine hervorragende Möglichkeit (z.B. Wochenmarkt unter dem Schutz des Vordachs, kleinteiligerLebensmitteleinzelhandel und Kultur im Innenbereich). Die jetzt vorgeseheneNutzung im Rahmen eines Hotels lehnen wir ab.

Forderung 7:

Aktive Beteiligung an der Stadtentwicklung statt Scheinpartizipation


Die Neuplanung des Areals muss partizipativ erfolgen – unter Einbindung von alten und künftigen Bewohner*innen und der Nachbarschaft im Stadtteil. Beteiligung an städtebaulichenProzessen ist mehr als das Verschieben von bunten Bauklötzchen bei folgenlosen Mitmachformaten. Ohne Orientierung an den Bedürfnissen der Bewohner*innenist Beteiligung Makulatur. Wir fordern aktive Beteiligung an Entscheidungsprozessen, auch und besonders, wo es um das unmittelbare Lebensumfeld geht.In Hamburg sind damit z.B. bei den Esso-Häusern mit der PlanBude oder bei Park Fiction positive Erfahrungen gemacht worden.

Anmerkungen:

(1) https://www.bizim-kiez.de/blog/2020/09/17/zur-petition-das-baugesetzbuch-sinnvollreformieren-forderungen-fuer-ein-preislimitiertes-und-durchsetzungsfaehiges-kommunalesvorkaufsrecht/(2) https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/72590/konsequent_gegen_spekulation_mit_grund_und_boden_baulandstrategie_fuer_hamburg_und_entwicklung_eines_kooperativen_hamburger_baulandmodells.pdf(3) http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/GetRessource100.svc/491bfee9-ea5d-4398-94f8-dea23367efed/Akte_719.3818-104.pdf

Holstenareal-Initiative „Knallt am dollsten“(Internet: https://www.knallt-am-dollsten.de/)