Die Hamburger Wohnungspolitik ist gescheitert

Die Mieten steigen auf breiter Front und der Neubau von bezahlbaren Wohnungen bliebt weit hinter den Zielen zurück

(Fortsetzung von S. 1 )

Aus dem Teaser des Films SOLD City (siehe den Beitrag darüber in Newsletter Nr. 1/2022, S.9)

  • Zugleich stagniert die Zahl der Sozialwohnungen. 2021 wurden nur 1563 Sozialwohnungen (1. Förderweg) fertig gestellt; für sie gelten Anfangsmieten von 6,80 €/qm Wohnfläche. Weitere 332 im 2. Förderweg kosten anfänglich 8,90 €/qm. In den Vorjahren waren es für beide Förderwege zusammen noch 3472 Wohnungen (2020) bzw. 3717 Wohnungen (2019). Das im Koalitionsvertrag 2020 verkündete Ziel, schrittweise bis zu 4000 geförderte Wohnungen pro Jahr neu zu errichten, ist also in die Ferne gerückt. Die Gesamtzahl der Sozialwohnungen (1. Förderweg) stagniert seit 2019 bei 77 -78.000. Dem standen 2020 ca. 339.000 anspruchsberechtigte Haushalte gegenüber. Die Zahl der Sozialwohnungen ist jahrelang stark gesunken, weil so viele Wohnungen aus der Mietbindung entlassen werden. Allein von 2021 bis 2025 fallen über 18.000 Wohnungen aus der Mietpreis- und Belegungsbindung heraus.

Die Konkurrenz um günstige Wohnungen wird sich in den nächsten Jahren verschärfen; denn die Zahl der Suchenden wächst. Das „Bündnis für das Wohnen“ baut am Bedarf der unteren und mittleren Einkommensgruppen vorbei. In Wirklichkeit handelt es sich um ein „Bündnis für das Bauen“, das der Bauwirtschaft sichere Einkünfte verschafft. Angesichts der teuren Grundstücks- und Baupreise ist auf diese Weise kein günstiger Wohnungsbau zu erwarten. Nettomieten unter 13 €/qm Wohnfläche rechnen sich im freien Wohnungsbau selbst bei niedrigen Grundstückskosten nicht. Bei 13 €/qm kostet eine 80 qm-Wohnung monatlich über 1000 € netto!

Die Angebotsmieten lagen bereits im April 2021 in Hamburg bei durchschnittlich 13,40 Euro/qm Wohnfläche netto.3.) Hinzu kommen die gestiegenen Nebenkosten. Hier tickt eine Zeitbombe. Der Umfang der gestiegenen Preise wird vielen Mietern erst 2023 klar werden, wenn die Nebenkostenabrechnungen für 2022 eintreffen.

Es ist keineswegs nebensächlich, wer baut und besitzt. Immobiliengesellschaften, die aus Renditeabsichten Wohnungen vermieten, nutzen in der Regel alle Spielräume für Mieterhöhungen aus. In vielen Fällen zeichnen sie sich außerdem durch Verzögerung von Instandhaltungsmaßnahmen, manchmal auch durch Tricks bei Nebenkostenabrechnungen und andere unerfreuliche Methoden zur Erhöhung ihrer Verdienstspannen aus. Vonovia ist da kein Einzelfall.

Hamburg verfügte in den 1970er Jahren einmal über ca. 400.000 Sozialwohnungen. Sie sind größtenteils durch Privatisierung verloren gegangen. Es ist dringend erforderlich, dass die Tendenz wieder umgekehrt wird. Eine Stabilisierung der Zahl bei 80.000, wie die Stadtentwicklungsbehörde es als Ziel formuliert, genügt schon deshalb nicht, weil die Zuwanderung nach Hamburg nach Prognosen des Statistikamts Nord in den kommenden Jahren im Durchschnitt 5000-6000 Wohnungen pro Jahr zusätzlich erfordert. Der größte Teil von ihnen sind Migranten und haben ein niedriges Einkommen.4.)

Der Mieterverein zu Hamburg fordert den Bau von 6000 Sozialwohnungen pro Jahr.5.) In der Schweiz wird angestrebt, dass ein Drittel der Mietwohnungen Sozialwohnungen sind. In Hamburg wären dies etwa 250.000 Wohnungen!

Um zu erreichen, dass nicht so viele Wohnungen aus der Miet- und Belegungsbindung herausfallen, gibt es ein effektives Mittel: die Abschaffung der Mietbindungsfrist. Unsere Berechnungen, veröffentlicht im Newsletter 10/2021, zeigen, dass die Beendigung der Bindung z.B. nach 30 Jahren aus finanziellen Gründen nicht erforderlich ist. Auch wenn nach so langer Zeit hohe Erhaltungsaufwendungen notwendig sind, besteht insbesondere nach Tilgung der anfänglichen Kredite in der Regel eine so hohe Liquidität durch Mieteinnahmen, dass eine Aufhebung der Mietbindung überflüssig ist.6.)

Wir erinnern noch einmal an unsere grundlegenden Forderungen:

  • Um die Bodenspekulation und den Ausverkauf städtischer Flächen zu verhindern, verkauft die Stadt Hamburg keine Grundstücke und Wohnungen mehr. Boden ist nicht vermehrbar! Er sollte nur noch in Erbpacht vergeben werden. Über Ausnahmen entscheidet die Bürgerschaft.
  • Auf städtischem Grund und Boden werden nur Wohnungen errichtet, die wirklich bezahlbar sind. Die Anfangsmieten sollen nicht höher liegen als die von Sozialwohnungen (seit 1.1.22: 6,90 € pro Quadratmeter). Erhöhungen dürfen max. 2 % pro Jahr betragen. Die Mietpreisbindung für geförderte Wohnungen gilt auf Dauer, nicht nur 20 oder 30 Jahre.

Nur wenn die Zahl der bezahlbaren Wohnungen wieder deutlich zunimmt, wird es gelingen, die sozialen Probleme, die mit dem Steigen der Wohnkosten verbunden sind, zu vermeiden. Hamburg ist eine der reichsten Städte der Welt und sollte dafür sorgen, dass hier Menschen nicht in Armut leben müssen, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können.

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  1. ) In den Feldern H (d.h. gebaut 1948-1960)und I (d.h. gebaut 1961-1967) der „normalen Wohnlage“ mit einer Größe ab 91 qm Wohnfläche.
  2. ) Zu den Erhebungsmethoden des Mietenspiegels vgl. Newsletter Nr. 3/2021, S. 8.
  3. ) Ergebnis der weithin anerkannten Ermittlungen des Gymnasiums Ohmoor (https://gymnasium-ohmoor.hamburg.de/2021/05/18/ohmoor-schuelerinnen-hielten-oeffentlichen-vortrag-zum-thema-mieten-in-hamburg/). Die kommerziellen Internetplattformen errechneten ähnliche Werte (z.B. statista, immowelt.de, wohnungsboerse.net).
  4. ) Vgl. den Beitrag „Daten zu Hamburgs Bevölkerungsentwicklung“ in diesem Newsletter. Zur Prognose der Bevölkerungsentwicklung vgl. https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Presseinformationen/SI21_098_Korrektur.pdf.
  5. ) Pressemitteilung des Mietervereins zu Hamburg v.13.12.21.
  6. ) Vgl. unsere diesbezüglichen Rechenmodelle in: Wir haben nachgerechnet (https://keineprofitemitboden undmiete.de/category/hintergrund/).