Warum wird kein Mietendeckel gefordert?

Kritische Einwände gegen die Forderungen der Volksinitiative

Kritik:

Die Forderungen enthalten keine Abhilfe gegen die gegenwärtig schlimmsten Zustände, vor allem die Mietpreissteigerungen, z.B. einen Mietendeckel.

Die Möglichkeiten der Stadt Hamburg, kurzfristig Abhilfe gegen Mietpreissteigerungen und andere drängende Missstände zu schaffen, sind sehr begrenzt. Die meisten Probleme fallen in die Zuständigkeit des Bundes. Das Verfassungsgerichtsurteil betr. den Berliner Mietendeckel (zu erwarten im 2. Quartal 2021) wird hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeiten hoffentlich mehr Klarheit schaffen. Hamburg kann aber mittel- und längerfristig die Weichen für eine neue Politik stellen. Darauf zielen die Forderungen der Volksinitiative (V.I.) ab.

Kritik:

Die Forderungen der V.I. enthalten nur Maßnahmen für finanziell Schwache. Was ist mit den „Normalverdienern“, die genauso unter der Preisentwicklung leiden?

2019 wurde bei der Vorbereitung der Volksinitiative in der Diskussion um die Forderungen die Option, für „Normalverdiener“ etwas teurere Wohnungen in die Baumaßnahmen einzubeziehen, verworfen mit der Überlegung, wenn die Grundstückskosten fast völlig entfallen, können die Baukosten so günstig sein, dass nicht nur für finanziell Schwache, sondern auch für „Normalverdiener“ genügend gebaut wird. Wenn Hamburg sich am Vorbild Wiens orientiert, werden genügend günstige Wohnungen auch für „Normalverdiener“ zur Verfügung stehen. Das ist auch gut für die soziale Durchmischung.Dort von „Fehlbelegung“ zu reden, ist also abwegig. Fehlbelegung haben wir jetzt. In den Gesprächen beim Unterschriftensammeln haben uns viele ältere Menschen erzählt, dass sie gern eine kleinere Wohnung hätten, doch die seien teurer als ihre jetzige.Außerdem wirkt sich ein steigender Anteil günstiger Wohnungen langfristig dämpfend auf die Mietpreisentwicklung aus.

Kritik:

Wenn auf öffentlichem Grund nur günstige Wohnungen errichtet werden, besteht die Gefahr sozialer Gettos.

Beim Neubauprojekt Oberbillwerder wurde diese Frage in letzter Zeit neu aufgeworfen. Nicht jede Neubausiedlung bedeutet Gettobildung. Oft trug falsche Politik dazu bei, z.B. die systematische Belegung mit Bezieher*innen von Transfereinkommen und die Fehlbelegungsabgabe. Hier ist politische Planung und richtige Einflussnahme erforderlich.

Wenn man keine Großsiedlungen baut, sondern kleine Einheiten, ist die soziale Durchmischung im Stadtteil in der Regel gewährleistet.

In Wien ist es großenteils gelungen, eine soziale Durchmischung zu erzielen. Dort haben die städtischen Wohnungsgesellschaften aber auch einen viel größeren Wohnungsbestand.

Kritik:

Wenn die Stadt keine Grundstücke mehr verkaufen darf, heißt das, dass sie auch keine Grundstücke an private „Häuslebauer“ abgeben kann?

Die Forderungen der V.I. richten sich vor allem gegen die Grundstücksspekulation. Ein Beispiel dafür ist das Areal der ehemaligen Holstenbrauerei in Altona. 2016 wurde es für 150 Mill. € verkauft. Dort sollten Wohnungen im „Drittelmix“ (geförderter Wohnungsbau, freier Mietwohnungsbau, Eigentumswohnungen) errichtet werden. Im Februar 2020 wurde es für 320 Mill. € weiterverkauft. Der neue Eigentümer plant vor allem, freie Mietwohnungen zu errichten, und zwar zu Preisen von 18 € netto.

Die Stadt hatte zuvor auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet.

Kritik:

Sollte man wirklich so viele Wohnungen neu bauen? Muss denn wirklich das letzte Fleckchen Grün auch noch verschwinden?

Die Wohnraumverdichtung, die der Senat in vielen Stadtteilen betreibt, führt oft zu Unmut, weil Bäume abgeholzt werden, Grünflächen verschwinden und damit die Lebensqualität in Hamburg leidet. Für das Konzept „Bauen, bauen, bauen“ hat der Senat sich entschieden, weil er die private Immobilienwirtschaft nicht vor den Kopf stoßen will. Mit einem vorübergehenden Mietendeckel wäre die Stadt nicht dazu gezwungen, immer mehr zu bauen. Mittelfristig sind weitere strukturelle Veränderungen unerlässlich, die die Spekulation mit Mietpreisen verhindern.

Sobald die für das Frühjahr 2021 erwarteten Urteile der Gerichte zum Berliner Mietendeckel ergangen sind, von denen eine Abgrenzung von Bundes- und Landeskompetenzen erwartet wird, sollte die Mieter*innenbewegung neu darüber diskutieren, ob und wie sie reagiert.