Nachrichten

von Mai 2021

Foto: Volksinitiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, Berlin

Durchschnittliche Angebotsmieten in Hamburg laut Gymnasium

Ohmoor. Rot: lt. HWWI/Post (Hamb. Abendblatt v.20.5.21, S.23)

Endlich. Nach langen Jahren auf der Straße wieder eine eigene Wohnung. Kein Palast, aber ein Dach, vier Wände, ein Fenster

zum Rauskucken und eine Tür zum Zumachen.

Quelle: https://housingfirstberlin.de/

Elefantenhochzeit mit Steuerumgehung

VONOVIA schluckt die Deutsche Wohnen

Am Pfingstwochenende wurde bekannt, dass der Immobilien- konzern Vonovia, dem in Deutschland über 400.000 Wohnun- gen gehören, erneut einen Anlauf unternimmt, die Deutsche Wohnen mit ca. 157.500 Wohneinheiten mehrheitlich zu über- nehmen. Ein früherer Versuch war 2015 gescheitert. Jetzt wer- den der Übernahme, der über die Hälfte der Aktionäre zustim- men müssen, aber gute Chancen eingeräumt. Ein Einschreiten des Kartellamtes gilt als unwahrscheinlich. Beide Konzerne ge- hören zu den stärksten Preistreibern bei den Mieten und sind bekannt für nachlassenden Service. Sie erwirtschafteten in den vergangenen Jahren hohe Renditen.

Der Fiskus wird voraussichtlich leer ausgehen. Eigentlich wäre bei dieser Übernahme im Wert von ca. 18 Milliarden Euro eine Grunderwerbsteuer in Höhe von ca. 1 Milliarde Euro zu zahlen, die den Ländern zustünde. Doch die Vonovia nutzt ein Steuer- schlupfloch, den sogenannten Share Deal. Wenn Grundstücke nicht direkt erworben werden, sondern nur Anteile an einer Ge- sellschaft, der Grundstücke gehören, wird Grunderwerbsteuer nur dann fällig, wenn innerhalb von 10 Jahren mindestens 90 Prozent den Eigentümer wechseln. Obwohl dies Steuerschlupf- loch bekannt war, wurde diese Hürde erst kürzlich nur etwas verschärft. Sie ist einfach zu umgehen, indem man den kriti- schen Prozentsatz unterschreitet. Der Rest wird dann oft vor- übergehend in einer zwischengeschalteten Gesellschaft ge- parkt.

Beiden Gesellschaften gehören im Großraum Berlin insgesamt ca. 156.000 Wohnungen. Um die Kritiker dort zu besänftigen, hat der fusionierende Konzern dem Berliner Senat ca. 20.000 Wohnungen im Wert von ca. 2 Milliarden Euro zum Kauf ange- boten.

FAZ, 27. 5. 2021; https://www.tagesschau.de/ wirtschaft/unternehmen/vonovia-deutsche-wohnen-miter-aktionaere-101.html



Wut und Enthusiasmus in Berlin

Nach dem Scheitern des Mietendeckels herrscht in Berlin bei vielen Betroffenen Wut und Frustration; denn die Mieten sind dort seit 2015 durchschnittlich um über 50 % gestiegen und viele Menschen haben große Probleme, angesichts der hohen Belastungen finanziell über die Runden zu kommen. Um so stärker ist die Unterstützung für die Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ geworden. Nach einer Umfrage An- fang Mai unterstützen 47 % der Berliner das Anliegen, Immo- bilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin zu ent- eignen. 43 % lehnen es ab, 10 % sind unentschieden. Die Volks- initiative hat bereits 130.000 der benötigten 175.000 Unter- schriften gesammelt, rechnet allerdings damit, dass eine ganze Anzahl ungültig ist, z.B. wegen fehlender deutscher Staatsan- gehörigkeit. Die Initiative erfährt zur Zeit große Unterstützung. Über 1000 Menschen machen enthusiastisch mit. 3000 was- serfeste Plakate wurden an Laternen gehängt, 15 Großlein- wände aufgestellt. Es wurde auch viel wild plakatiert, sogar Firmenschilder der Deutschen Wohnen überklebt. Die Initiative hat begonnen, Aktivisten zu schulen, um Erfahrungen weiter- zugeben und juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Sprecher der Initiative betonen, dass Unterstützung aus allen Teilen der Bevölkerung komme. Es fehlt auch nicht an Geld. Großspenden gibt es selten, aber Kleinspenden zwischen 5 und 50 Euro fließen in großem Umfang. Wenn die Initiative Erfolg hat, können über 240.000 Wohnungen in Berlin enteig- net werden. Allerdings ist mit neuen Klagen dagegen zu rech- nen.

Der Tagesspiegel, 6.5.2021; Unterschriftenliste für die Zustimmung zum Volksbegehren über einen Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur Verge- sellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen, Hrsg.: Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen.


Hamburger Mietpreise 2020 –

gesunken? gestiegen?

Eigenartige Berichterstattung im Hamburger Abendblatt

„Mieten in Hamburg sinken leicht…“ titelte das Hamburger Abendblatt am 19. Mai. Das war eine eher unseriöse Interpre- tation der Ergebnisse, die Oberstufenschüler des Gymnasiums Ohmoor in ihrer jährlichen Untersuchung der Angebotsmieten in Hamburg publiziert hatten. Sie ermittelten für 2020 einen Durchschnittswert von 13,40 €/qm; im Vergleich zum Vorjahr (13,45 €) war das eine minimale Verringerung um weniger als 0,4 %, also keine echte Entspannung.

Einen Tag später berichtete das Blatt, eine Studie des Hambur- gischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und der Postbank ha- be einen durchschnittlichen Anstieg der Neuvermietungspreise in Hamburg für2020 um ca. 3 % ermittelt. Diesmal wurde die Meldung aber nicht als Schlagzeile auf Seite 1, sondern in eher bescheidener Aufmachung auf Seite 23 platziert. Offensichtlich passte der Redaktion die Meldung nicht so gut ins Konzept. 3 % sind ein hoher Anstieg. Er entspricht dem durchschnittlichen Anstieg der Mieten in den letzten Jahren (18 % seit 2015 lt. Hamburger Abendblatt v. 27.5.21).

Möglicherweise sind die Unterschiede auf die Art der Datener- hebung, auf das Einzugsgebiet oder auf andere Faktoren zu- rückzuführen, die die zugrunde gelegten Daten beeinflussten. Das Gymnasium Ohmoor bezieht seine Informationen aus In- seraten, die ein kommerzielles Internetportal anonymisiert zur Verfügung stellt; auch da kann eine Ursache der Differenzen liegen. Den Formulierungen in der Bekanntgabe folgend legt das Gymnasium die in Inseraten verlangten Preise zugrunde. In der Untersuchung von HWWI/Postbank wird dagegen von „Neuvermietungen“ gesprochen, was nahelegt, dass es sich um tatsächlich vereinbarte Mieten handelt. Dass letztere aber durchschnittlich um 3 % höher gelegen haben als jene in inserierten Mieten, ist unwahrscheinlich.

Solange all dies nicht geklärt ist, wird man auf beide Recher- chen verweisen müssen. Spätestens der nächste Mietenspiegel wird hoffentlich etwas Licht ins Dunkel bringen.

Hamburger Abendblatt v.19., 20. und 27.5.2021; https://gymnasium-ohmoor.ham- burg.de/ mietenentwicklung-in-hamburg/



BUND fordert weniger Wohnungsbau in Hamburg

Der Natur und Artenschutz dürfe nicht länger der Bauwut un- tergeordnet werden. 10.000 Neubauwohnungen im Jahr seien in einem Stadtstaat mit begrenzter Fläche verantwortungslos. Mit diesen Argumenten begründete der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am 6. Mai seine Forderung nach einem Stopp des frei finanzierten Wohnungsbaus und einer „Netto-Null-Strategie“ bei der Flächenversiegelung. Bei einer Bebauung von Freiflächen müssten Areale an anderer Stelle wieder entsiegelt werden. Der BUND kritisierte, der Stadt fehle eine demokratisch legitimierte Gesamtplanung. „Zukunftsfähige Konzepte für bezahlbaren Wohnraum, eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik sowie eine flächensparen- de und innovative Mobilitätswende gibt es nicht“, bedauerte Prof. Jörg Knieling, Vorstandsmitglied des BUND Hamburg.

Die Vertreter der Stadt lehnten die Forderungen ab. „Baustopp heißt Wohnungsnot“, twitterte Finanzsenator Dressel. SPD-Fraktionschef Kienscherf wies darauf hin, dass die Stadt vor zwei Jahren einen Vertrag mit der Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ und dem Naturschutzbund NABU geschlossen habe, der eindeutige, fortlaufende Ziele des Natur- und Land- schaftsschutzes formulierte. Grünen-Fraktionschef Lorenzen betonte, beim verstärkten sozialen Wohnungsbau habe man sich auf klimagerechtes Bauen festgelegt, wozu auch die Be- kämpfung des Flächenverbrauchs gehöre.

Pressemitteilung des BUND (https://www.bund-hamburg.de/service/presse/detail/news/bund-stadtentwicklung-muss-neue-wege-gehen/); Hamb. Abendblatt v. 7. und 8./9.2021; Hamb. Morgenpost v. 7.5.2021 (https://www.mopo.de/hamburg/streit-um-naturschutz-weniger-neue-wohnungen-in-hamburg–das-sagt-die-behoerde-38366138)


Housing First in Hamburg

Während des Bürgerschaftswahlkampfs 2020 hatten die Ham- burger Regierungsparteien ein Modellprojekt beschlossen, dessen Ansatz aus den USA stammt und weltweit Erfolge gezeigt hat. Obdachlose sollen in eigenen Wohnungen unter- gebracht werden, ohne zuvor in Sammelunterkünften zu leben. Die eigene Wohnung soll dazu beitragen, dass die betreffenden Menschen, betreut von Sozialarbeiter*innnen, in Ruhe einen Neustart machen und ihr Leben neu ordnen und stabilisieren können. Im Koalitionsvertrag wurde das Vorhaben bekräftigt, aber im aktuellen Haushalt war dafür kein Geld eingeplant. Mitte Mai erinnerten Linkspartei und CDU die Regierungspar- teien an ihren Beschluss. Ende Mai sicherte Rotgrün daraufhin per Haushaltsantrag die Finanzierung eines Projekts für 30 Obdachlose. Es ist auf drei Jahre angelegt und soll Ende 2021 starten. Die Realisierung soll freien Trägern aus der Woh- nungslosenhilfe übertragen werden.

Ein weiteres Projekt – die von der CDU geforderte Bereitstel- lung einer Unterkunft für Wanderarbeiter*innen – kam dage- gen bisher nicht voran.

https://www.hinzundkunzt.de/startschuss-fuer-housing-first-in-hamburg/


Die Mietpreisbremse bremst nicht

Vor sechs Jahren wurde die Mietpreisbremse in Deutschland eingeführt. Später wurde sie noch einmal verschärft. Seither dürfen bei Wiedervermietungen die Preise maximal 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen – eine sehr großzügige Regelung, die praktisch nicht viel Wirkung zeigt. Die Mieten sind trotzdem weiter stark gestiegen. Das kommerzielle Portal Immowelt hat errechnet, dass die Angebotsmieten in Hamburg seit 2015 um 18 % gestiegen sind, während die Inflation im gleichen Zeitraum nur um 8 % zunahm. Die aktuelle Durch- schnittsmiete liegt laut Immowelt in Hamburg bei 12,50 €/qm, laut der neuen Untersuchung des Gymnasiums Ohmoor sogar bei 13,40 €. In vielen anderen Städten gab es noch höhere Steigerungen, vor allem in Berlin (51 %).

Der Mieterverein zu Hamburg fordert eine Verschärfung der Mietpreisbremse. Ohne eine weitere Regulierung werde es auch künftig nur einen Weg für die Mieten geben: nach oben.

https://www.hinzundkunzt.de/mietpreisbremse-bremst-gar-nicht; https://gymnasium-ohmoor.hamburg.de/mietenentwicklung-in-hamburg