Warum „Bauen, Bauen, Bauen!“ falsch ist

Nicht nur in Hamburg ist die Ansicht weit verbreitet, wegen des Mangels an preisgünstigen Wohnungen müsse der Wohnungsbau ausgeweitet, müssten möglichst viele Wohnungen gebaut wer­den – BAUEN, BAUEN, BAUEN!. Ist das eine geeignete Strategie, dem Mangel abzuhelfen?

In Hamburg sind seit 2011 rund 75.000 Wohnungen gebaut worden. Die Stadt stellte dafür in großem Umfang Grundstücke zur Verfügung. Gebaut wurden zu etwa 25% Sozialwohnungen nach dem ersten Förderweg. Der „Rest“ besteht aus teuren, weil frei finanzierten und Eigentumswohnungen. Der „Drittelmix“, also 1/3 Sozialwohnungen, 1/3 frei finanzierte und 1/3 Eigentums-wohnungen wurde nie erreicht.


Zugleich fielen Tausende Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung. Gab es 2011 noch 100.000 preisgebundene Sozialwohnungen (1. Förderweg ), waren es 2020 gerade noch 80.000. Zugleich haben 40% der Haushalte einen Anspruch auf eine solche Sozialwohnung. Angesichts weiter steigender Mieten und in diesem und den nächsten Jahren für die Mehrheit eher sinkenden oder stagnierenden Einkommen dürfte diese Zahl zukünftig steigen.

Warum hat der intensive Wohnungsbau der letzten 10 Jahre keine Entlastung gebracht? Die starke Auslastung der Bauwirtschaft treibt die Baupreise in die Höhe. Die Grundstückspreise stiegen ebenfalls stark an. Diese Preise steigen, weil Bodenspekulation große Profite bringt, aber auch wegen des Baubooms. Der Bau von hochpreisigen Wohnungen treibt das Mietniveau die Höhe. Häufig wird argumentiert, es würden gün-stigere Wohnungen frei, wenn die Mieter*innen in neue, teurere Wohnungen zögen. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Neuvermietungen führen nahezu immer zu deutlichem Steigen der Mieten.

In den letzten 30 Jahren sind “städtische Immobilienmärkte … zum Tummelplatz nationaler und internationaler Investoren jeder Couleur geworden“, wie wir in den Begründungen der Volksinitiativen feststellen. Millionen Wohnungen bundesweit, in die Milliarden Steuergelder geflossen waren, wurden privatisiert. Sie landeten zum großen Teil – oft nach mehreren Weiterverkäufen – in der Hand von Rendite optimierenden Unter-nehmen wie Deutsche Wohnen oder Vonovia. Die Folgen der Privatisierungspolitik sind vielfältig: Luxussanierung und Vernachlässigung von Wohnungen, Abriss von günstigen und stattdessen Bau von teuren Wohnungen oder auch trotz Baugenehmigung nicht zu bauen und auf die Steigerung des Bodenpreises zu spekulieren. Privatisierung und die zunehmende Rolle von Investmentgesellschaften (z. B. BlackRock) sind die Hauptursache, sind das Kernproblem.

Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, die Volksinitiativen zu starten. Und aus diesem Grund gibt es die „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in Berlin (unter etwas anderen Bedingungen als in Hamburg). In der Auseinandersetzung mit der herrschenden Boden- und Wohnungspolitik werden wir immer wieder die Ursachen benennen und auf die Notwendigkeit hinweisen, die Inwertsetzung von Wohnraum wie auch des öf-fentlichen Raums zu begrenzen und langfristig zu beenden.

Nur so lassen sich die Wohnungsprobleme in den großen Städten lösen. KEINE PROFITE MIT BODEN & MIETE! geht einen Schritt in diese Richtung, hin zu einer Boden- und Wohnungspolitik, in der nicht die Profitinteressen im Mittelpunkt stehen, sondern das Grundrecht auf eine menschenwürdige Wohnung.

Was in Hamburg nötig ist, ist die Bereitstellung von mehr günstigen Wohnungen. Deshalb wäre es sinnvoll, die Mittel der Stadt auf den Bau und den Erhalt solcher Wohnungen zu konzentrieren.

Eine Boden- und Wohnungspolitik, die immer mehr teuren Wohnungen für gut verdienende Menschen anbietet, für die Hamburg attraktiv ist, ist auch aus anderen Gründen abzulehnen. Eine wachsende Einwohner*innenzahl bringt auch wachsenden Verkehr in die Stadt, braucht auch mehr sonstige Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Erholung und Sport …). Die Kosten tragen alle Hamburger*innen und die negativen Folgen – mehr Verkehr, weniger Grünflächen usw. – tragen sie auch. Und nicht zuletzt führt diese Politik zu einer Energie- und Ressourcenverschwendung, die angesichts der Klimakrise nicht hinzunehmen ist.


Angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Klimakrise dürfen auch die ökologischen Folgen des Bauens nicht vergessen werden. Wenn 80% des Energieverbrauchs von Gebäuden durch deren Bau entsteht, macht es einen großen Unterschied, ob Häuser nach 30 oder 40 Jahren abgerissen werden um mit neuen Gebäuden größere Profite zu erwirtschaften oder ob Häuser so gebaut und gepflegt werden, dass sie 100 Jahre lang gern genutzt werden. Es macht einen Unterschied, ob nach 20 oder 30 Jahren immer wieder günstige Wohnungen nachgebaut werden müssen, weil die Preisbindung endet oder ob gute Wohnungen „ewig“ günstig bleiben.

Und auch der Bau „auf die grüne Wiese“ ist angesichts der Klimakrise kritisch zu betrachten. „Es müssen auch mal Bäume gefällt werden – die werden dann nachgepflanzt“, heißt es oft. Natürlich ist das im Einzelfall nicht zu vermeiden, um dort – dauerhaft günstige – Wohnungen zu bauen. Angesichts einer sich dramatisch zuspitzenden Klimakrise müssen wir aber bedenken: Bäume sind CO2-Speicher. Der Kohlenstoff wurde über Jahrzehnte im Holz gespeichert. Wird ein alter Baum gefällt, dauert es wieder Jahrzehnte, bis dieselbe Menge Kohlenstoff in einem neuen Baum gespeichert worden ist. In den nächsten ca. 10 Jahren wird sich aber entscheiden, welche Richtung die Klimaentwicklung einschlägt. Die gegenwärtige Entwicklung geht in Richtung einer Klimakatastrophe unbeherrschbaren Ausmaßes.


Die fortschreitende Flächenversiegelung ist ebenfalls ein großes ökologisches Problem. Es macht einen Unterschied, ob im innerstädtischen Bereich Flächen für Handelsketten und Gewerbebetriebe nur mit eingeschossigen Leichtbauhallen belegt werden, oder ob sie auch für Wohnungen zur Verfügung stehen, ob statt Gebrauchtwagen-handlungen günstige Wohnungen, Sozial- und Freizeiteinrichtungen und Grünflächen entstehen usw. Es macht einen Unterschied, ob immer mehr Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt oder zweckentfremdet werden oder sie als möglichst preisgünstiger Wohnraum erhalten bleiben. Natürlich ist es einfacher, eine Großsiedlung auf die grüne Wiese am Stadtrand zu klotzen – zukunftsfähig ist es nicht.Die öffentliche Förderung von Wohneigentum, zumal in der Form von Einzelhäusern sollte angesichts begrenzter Flächen und begrenzter Mittel beendet werden.


Die Strategie, durch Privatisierung städtischer Grundstücke sehr gut verdienenden Menschen, die nach Hamburg ziehen wollen, Wohnungen zur Verfügung zu stellen, ist sozial wie ökologisch fragwürdig. Sozial, weil damit die Mietpreise weiter nach oben getrieben und große Teile der Bevölkerung aus ihren angestammten Quartieren vertrieben werden. Ökologisch, weil in Hamburg und anderen großen Städten Wohnraum Infrastruktur neu geschaffen wird, die zum großen Teil woanders schon existiert. Ursache ist eine völlig falsche – oder besser: eine fehlende Strukturpolitik. Es wird viel mehr Geld, auch öffentliche Mittel, in großstädtische Infrastruktur gepumpt als in den ländlichen Raum. Der Markt soll es richten. Er richtet es so, wie wir es seit vielen Jahren erle-ben. Investitionen fließen dahin, wo wo die Profite am höchsten sind.


Wir fordern deshalb: Die Stadt und ihre Unter-nehmen, insbesondere die SAGA, verkaufen Grundstücke und Wohnungen nicht mehr – mit denen dann nicht mehr spekuliert werden kann. Auf öffentlichem Grund gebaute Wohnungen müssen dauerhaft günstig sein, also nicht teurer als Sozialwohnungen. Die Sozialwohnungen der SAGA bleiben dauerhaft in der Preisbindung. Teure Miet- und Eigentumswohnungen werden dann von privaten Unternehmen auf privatem Grund weiter gebaut werden, aber in geringerer Zahl.


Hamburg kann mit einer solchen Boden- und Wohnungspolitik einen wichtigen Schritt zu mehr Ressourcenschutz und mehr sozialer Gerechtigkeit tun.


Gilbert Siegler