Was kann die Politik gegen die hohen Mietpreissteigerungen tun?

Wohnhäuser in Oldenfelde

In großem Umfang flatterten Hamburger Mietern in den letzten Monaten Mieterhöhungsmitteilungen auf den Tisch. Viele Bewohner haben Mühe, die hohen Kosten noch aufzubringen. Doch eine andere Wohnung zu suchen, ist meist noch schwieriger, besonders auf dem freien Wohnungsmarkt. Die Alternative ist sonst oft nur, weit nach außerhalb zu ziehen. Aber auch in Hamburgs „Speckgürtel“ ist das Wohnen inzwischen deutlich teurer geworden. Besonders hart ist die Lage für Menschen mit niedrigem Einkommen. 332.000 Haushalte in Hamburg (also ca.36 % aller Haushalte) hatten laut Mikrozensus 2019 ein so geringes Einkommen, dass sie Anspruch auf eine Sozialwohnung des 1. Förderwegs besaßen. Zur Verfügung standen aber nur etwa 80.000. Mitte der 1970er Jahre gab es in Hamburg etwa 400.000 Sozialwohnungen. Im Jahr 2000 waren es noch etwa 157.000 und im Ende 2020 nur noch ca. 77.700. 1) Der Grund besteht darin, dass bei vielen Wohnungen die Mietpreis- und Belegungsbindungen ausgelaufen sind und weiter auslaufen. Dies hat trotz des beträchtlichen Neubaus dazu geführt, dass es immer weniger Angebote geförderter Wohnungen gibt.

Um dieser Entwicklung zu begegnen, hat die SPD-geführte Regierung seit 2011 den Wohnungsbau in Hamburg stark ausgeweitet. Ein „Bündnis für das Wohnen“ mit der Wohnungswirtschaft soll das umfangreiche Bauen absichern. Dabei hat man darauf gesetzt, dass sich durch zusätzlichen Wohnraum der Markt entspannen wird. Von 2011 bis 2021 wurden in Hamburg ca. 84.300 neue Wohneinheiten geschaffen. 2) Nach dem „Drittelmix“ sollen je ein Drittel Eigentumswohnungen, ein Drittel frei vermietete Wohnungen und ein Drittel geförderte Wohneinheiten errichtet werden. Tatsächlich betrug der Sozialwohnungsbau (1. Förderweg) meist nur etwa ein Viertel. Mehr als zwei Drittel der neuen Wohnungen waren und sind für Normal- und Geringverdiener erheblich zu teuer. Nicht geförderte Wohnungen gibt es in Hamburg kaum unter 12-13 €/qm. Das heißt: eine 90 qm-Wohnung kostet über 1000 € Kaltmiete!

Das Kalkül der Hamburger Stadtplaner ging also nicht auf. Die Wohnungspreise stiegen und stiegen. Die wichtigsten Gründe:

  • Die Stadt ist zum internationalen Tummelplatz der Spekulation mit Boden und Wohnraum geworden. Zu dieser Entwicklung hat nicht zuletzt die Privatisierung eines großen Teils der ehemals städtischen Wohnungen beigetragen.
  • Vermieter nutzen Lücken im Mieterschutz und fordern extrem hohe Mieten, z.B. nach Modernisierungen oder wegen Möblierung.
  • Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt laufend ab.
  • Mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen lassen sich große Gewinne erzielen.
  • Die Baukosten sind stark gestiegen. Es gibt beträchtliche Lieferengpässe bei Baustoffen und einen großen Mangel an Fachkräften. Das Ziel, 10.000 Wohnungen zu errichten, wurde schon 2021 mit 7461 Einheiten deutlich verfehlt. Auch 2022 dürfte es kaum erreichbar sein.
  • Die Einwohnerzahl Hamburgs nimmt zu. Die Hamburger Bevölkerung ist 2011-2020 von ca. 1,72 Millionen auf ca. 1,85 Millionen gewachsen – ein Zunahme um ca. 134.300 Menschen. Diese Zahl ist viel höher, als die Stadtplaner es noch vor wenigen Jahren für möglich hielten; 2011 rechnete man noch mit einer Zuwanderung von 50.000 bis maximal 100.000 Menschen bis zum Jahr 2030. 3)

Berücksichtigt man, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße in Hamburg bei 1,8 Personen liegt, dann waren für diesen Zuwachs ca. 74.600 Wohnungen erforderlich. Im selben Zeitraum wurden in der Stadt ca. 76.800 Wohnungen neu errichtet. So gesehen hat der Senat mit seiner Baupolitik also kaum mehr erreicht, als dass Wohnungen im Umfang des Netto-Zuzugs gebaut wurden.

Andere Lösungen als zu bauen hat der Hamburger Senat kaum verfolgt. Auf den Markt zu vertrauen, hat sich einmal mehr als naiv erwiesen.

Was lässt sich gegen die steigenden Mietpreise tun?

Um die Fehlentwicklungen zu bekämpfen, gründeten mehrere Verbände, Initiativen und Personen, darunter die beiden Hamburger Mietervereine Anfang 2020 unter dem Titel „Keine Profite mit Boden und Miete“ bekanntlich unsere beiden zusammengehörigen Volksinitiativen. Volksinitiative 1 fordert, dass die Stadt Hamburg, um die Bodenspekulation und den Ausverkauf städtischer Flächen zu verhindern, keine Grundstücke und Wohnungen mehr verkauft. Boden ist nicht beliebig vermehrbar. Er sollte nur noch in Erbpacht vergeben werden. Über Ausnahmen soll die Bürgerschaft entscheiden. Volksinitiative 2 fordert, dass auf städtischem Grund und Boden nur Wohnungen errichtet werden, die wirklich bezahlbar sind. Die Anfangsmieten sollen nicht höher liegen als die von Sozialwohnungen (seit 1.1.2022: 6,90 € pro Quadratmeter). Erhöhungen sollen max. 2 % pro Jahr betragen. Die Mietpreisbindung für geförderte Wohnungen gilt auf Dauer, nicht nur 20 oder 30 Jahre.

Unsere beiden Volksinitiativen haben 2020 mit je 14.400 Unterschriften die erste Stufe der Volksgesetzgebung geschafft. Zur Zeit laufen Verhandlungen mit den Senatsfraktionen, die möglicherweise in einem Kompromiss enden. (Siehe dazu den Beitrag „Zum Stand der Verhandlungen mit der Stadt“ in diesem Newsletter.) Falls sie erfolglos bleiben, wird demnächst wahrscheinlich ein Volksbegehren stattfinden.

Es gibt auch andere Initiativen, die sich mit dem Mietenproblem beschäftigen. Zu einer effektiven Begrenzung des Mietanstiegs hätte ein Mietendeckel wie in Berlin geführt. Dieser Weg ist leider durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorläufig verbaut. Eine Änderung ist nur durch Bundesgesetzgebung möglich und diese ist nicht in Sicht. Die Kampagne „Mietenstopp“, getragen vom Deutschen Mieterbund, vom DBG, vom Paritätischen Gesamtverband und anderen fordert dennoch weiter ein bundesweites Einfrieren der Mieten für mehrere Jahre (ausgenommen Neubauten) und weitere Maßnahmen, um den starken Anstieg der Mieten zu bekämpfen. 4) Die Initiative „Hamburg Enteignet“ verlangt, ähnlich wie die erfolgreiche Berliner Initiative, private profitorientierte Wohnungsunternehmen zu enteignen. 5)

Die Volksinitiative „Rettet Hamburgs Grün“ will dagegen alle Grün- und Landwirtschaftsflächen ab einem Hektar vor Bebauung und Versiegelung schützen. Dies wäre das Ende großer Neubauprojekte. Der Hamburger Senat hat dagegen am 14. Juni 2022 Klage vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht eingereicht. Auch der Hamburger Klimabeirat, NABU und BUND fordern eine starke Reduzierung des Wohnungsbaus. Doch solange kein direkter Weg in Sicht ist, den großen Wohnungsbedarf zu befriedigen, ist die Einschränkung der Bautätigkeit der falsche Weg. Der Klimabeirat berief sich in einer Erklärung im Dezember 2021 auf eine Prognose des Statistikamts Nord, derzufolge die Einwohnerzahl Hamburgs bis 2035 um ca. 146.000 auf ca. 2,031 Millionen wachsen wird, wofür insgesamt ca. 74.000 neue Wohnungen, also ca. 5300 pro Jahr, erforderlich wären. Also seien so viele neue Wohnungen genug. 6) Doch Wohnungsbau im Umfang des Bevölkerungswachstums löst das Problem nur partiell. Wenn man davon ausgeht, dass gegenwärtig in Hamburg über 100.000 günstige Wohnungen fehlen, dann sollte die Gesamtzahl der Neuerrichtungen nicht nennenswert unter 10.000 Wohnungen pro Jahr liegen, allerdings zu besseren Konditionen als bisher.

Die umfangreiche Bautätigkeit in Hamburg mag manchen irritieren. Doch gegen das Bevölkerungswachstum der Stadt ist anders wenig auszurichten. Analysen zeigen, dass der Zuzug überwiegend nicht aus dem norddeutschen Umland, sondern aus weiter entfernten Gebieten erfolgt. 7)

Das ökologische Hauptproblem – der Bau von immer mehr Wohnungen in den Metropolen, während woanders Wohnungen leer stehen, weil es dort keine Arbeit und Infrastruktur gibt – muss auf andere Weise gelöst werden. Es fehlt eine Strukturpolitik, die dafür sorgt, dass – wie im Grundgesetz vorgesehen – die Lebensverhältnisse in verschiedenen Teilen des Landes angeglichen werden. Nach dem Willen unserer Politiker soll dies das freie Spiel der Marktkräfte regeln. Doch das funktioniert nicht, vor allem weil Wirtschaftsunternehmen sich nicht gern in strukturschwachen Gegenden niederlassen, sonder lieber in wirtschaftlich prosperierender Umgebung.

Sozialwissenschaftler betonen, dass nicht nur Wohnungsmengen, sondern auch andere städtebaulich relevante Faktoren betrachtet werden sollten, z.B. die Altersstruktur, die Haushaltsgrößen, die Formen des Zusammenlebens, klimapolitische Anforderungen und der individuelle ökologische Fußabdruck. Zum Beispiel leben in den deutschen Großstädten meist in über 50% der Haushalte Singles, aber es gibt maximal ca. 25% kleine Wohnungen (unter 45 qm). Dies bedeutet, dass Einzelpersonen in beträchtlichem Umfang in Wohnungen leben, die eigentlich für sie zu groß sind. Umgekehrt fehlen für Familien bezahlbare Wohnungen in ausreichender Größe. Daher könnte durch Umverteilung ein Teil der Wohnungsmisere gelöst werden. Allerdings hat sich gezeigt, dass dies meist schwierig ist, weil niemand gern von einer größeren in eine kleinere Wohnung zieht, wenn diese teurer ist. Es wäre zu prüfen, ob große Wohnungsgesellschaften verpflichtet werden können, Wohnungstausch so anzubieten, dass nicht zugleich die Mieten erhöht werden. Bei Neubauten sollten in besonders hohem Maße Wohnungen für Singles errichtet werden. Auch Programme zur gezielten Förderung gemeinschaftlicher Wohnformen könnten einen spürbaren Effekt auf die Wohnversorgung haben. 8)

Wichtig ist es, beim Bauen auf ökologische Faktoren zu achten, insbesondere:

  • möglichst wenig neue versiegelte Flächen,
  • Bauweise mit niedrigem CO2-Ausstoß,
  • langlebiges Bauen mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten,
  • umbauen statt neu bauen,
  • Schonung von Baumbeständen und Grünflächen.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Der Senat geht davon aus, dass Wohnungsbau und Vermietung im wesentlichen ein Geschäft wie jedes andere ist und dass es Aufgabe der Stadt ist, Investoren für Wohnungsbau zu gewinnen, indem eine hohe Rendite gewährleistet wird. Vor allem auf den Markt zu setzen, hat jedoch keine Lösung für das Wohnungsproblem gebracht. Der Wohnungsbau hat in etwa für das Bevölkerungswachstum ausgereicht. Währenddessen sind die Wohnungspreise weiter gestiegen. Benötigt werden viel mehr günstige Wohnungen. Die Neubauwohnungen des freien Wohnungsmarkts, die z.Zt. ca. 70 % der Neubauten ausmachen, sind für niedrige und mittlere Einkommen viel zu teuer. Die Zahl der Sozialwohnungen ist in den vergangenen Jahrzehnten wegen des Auslaufens der Bindungsfristen immer weiter gesunken.

Um diesen Trend umzukehren, sollte die Anzahl der geförderten Wohnungen massiv erhöht (z. B. verdoppelt) werden. Hamburg braucht weit mehr preisgebundenen Wohnungsbau, möglichst durch städtische oder genossenschaftliche Träger auf günstigen städtischen Grundstücken und mit dauerhafter Mietpreisbindung. Dabei sollten ökologische Gesichtspunkte stärker als bisher berücksichtigt werden.

Hermann Kaienburg

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  1. ) Vgl. Bürgerschaftsdrucksache Nr. 22/6523.
  2. ) Vgl. Wohnungsbaubericht 2020 der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen; Hamburger Abendblatt vom 17.5.2022.
  3. ) Diese Annahme wurde 2014 in einer Publikation der Stadt vertreten. Vgl. Grüne, gerechte, wachsende Stadt am Wasser. Perspektiven der Stadtentwicklung für Hamburg, Hrsg.: Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg Mai 2014, S. 8f., https://www.hamburg.de/ contentblob/4309812/72bbf7e42477706605e49ed206a8e7a2/data/broschuere-perspektiven.pdf.
  4. ) Vgl. https://mietenstopp.de/.
  5. ) Vgl. http://hamburg-enteignet.de/.
  6. ) Vgl. https://rettet-hamburgs-gruen.de/; Pressemeldung des Hamburger Klimabeirats v.10.12.21, des BUND v.10.12.21 und des NABU Hamburg v.6.1.22.
  7. ) Vgl. https://www.statistik-nord.de/fileadmin/ Dokumente/Statistische_Berichte/bevoelkerung/ A_I_1_j_H/A_I_1_j20_HH.pdf.
  8. ) Vgl. Andrej Holm u.a.: Die Verfestigung sozialer Wohnungsprobleme. Entwicklung der Wohnverhältnisse und der sozialen Wohnversorgung von 2006 bis 2018 in 77 deutschen Großstädten. Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 217, Juni 2021.