Wir haben nachgerechnet

Die Realisierbarkeit unserer Forderungen

In internen Diskussionen, aber auch in den Gesprächen mit den Senatsvertretern entstand in den vergangenen Monaten wiederholt das Bedürfnis, einmal nachzurechnen, was unsere Forderungen kosten – nicht zuletzt, um sie den oft unsinnigen Ausgaben gegenüberzustellen, die die Wohnungspolitik des Hamburger Senats verursacht.

Wir werden im Folgenden zuerst auf die Kosten unserer Forderungen eingehen und dann einige Kritikpunkte zur bisherigen Praxis in der städtischen Wohnungspolitik vortragen.


Unsere Forderungen

Der Senat aus SPD/Grünen will erreichen, dass sich der Wohnungsmarkt durch massive Bautätigkeit entspannt. Doch etwa 70% der neuen Wohnungen sind viel zu teuer. Daher wird sich der Markt nicht entspannen.

Wir wollen deshalb, dass auf städtischem Grund viel mehr günstige Wohnungen gebaut werden, die auf Dauer preisgebunden sind. Unsere Forderung: Die Stadt behält ihre Grundstücke, statt sie zu verkaufen. Sie kann sie in Erbpacht vergeben. Auf öffentlichem Grund gebaute Wohnungen haben eine Anfangsmiete wie Sozialwohnungen (1. Förderweg); diese darf nur um die Inflationshöhe (Verbraucherpreisindex), aber begrenzt auf maximal 2% jährlich steigen. Die Mietpreisbindung gilt, anders als bisher bei Sozialwohnungen, dauerhaft.

Wir reagieren damit auf die Schäden, die die Privatisierung von Grund und Boden seit Jahrzehnten anrichtet. Städtische Immobilien sind zum Tummelplatz nationaler und internationaler Investoren geworden, die die Preise in die Höhe treiben. Die Folgen der Privatisierung des Bodens sind vielfältig: Luxussanierungen und Vernachlässigung von Wohnungen, Abriss von günstigen und stattdessen Bau von teuren Wohnungen, Wohnungsleerstand, um auf Wertsteigerung zu spekulieren und anderes.


Was kosten unsere Vorschläge?

1. Grundstückskosten

Die Stadt Hamburg ist in der Lage, Grundstücke, die ihr gehören, kostenlos zur Verfügung stellen. Sie hat es jedoch in letzter Zeit vorgezogen, Boden, auf dem Sozialwohnungen errichtet werden sollen, zu einem relativ niedrigen Preis (600 €/qm Wohnfläche) auszuschreiben, um günstige Mieten zu ermöglichen.

Wenn statt eines Verkaufs auf diesen Preis ein niedriger Erbbauzins (eventuell sogar null Prozent) berechnet wird, ist dies für die Wohnungsgesellschaften, die Sozialwohnungen bauen, genauso tragbar wie ein niedriger Verkaufspreis. Viele Träger neigen sogar dazu, den gesamten Erbbauzins der Vertragszeit zu Beginn in einer Gesamtsumme zu entrichten.


2. Baukosten

Die Baukosten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Daher sind relativ hohe Zuschüsse erforderlich, um einen Mietpreis in Höhe der Sätze, die für Sozialwohnungen gelten, zu ermöglichen.

a) Kosten der Förderung

Der Architekt Karsten Wagner hat für uns vier verschiedene Modellrechnungen erstellt, die unseren Forderungen entsprechen; dabei sind unterschiedliche Arten der Förderung zugrunde gelegt. Es gelten folgende Voraussetzungen:

  • Möglichst immer schwarze Zahlen im Betriebsergebnis, Verluste nur vorübergehend, keine großen Gewinne;1)
  • Grundstückswert, auf den der Erbbauzins berechnet wird: 600 €/qm Wohnfläche;
  • ca. 20% Eigenkapital, ca. 80% Darlehen;
  • Instandsetzungskosten inbegriffen (Erfahrungswerte), und zwar zeitlich in steigendem Umfang;
  • steigende Preise (Inflation) sind berücksichtigt.2)

Für alle Modellrechnungen gelten ferner folgende Annahmen: 1000 qm Wohnfläche, 15 Wohneinheiten, 3300-3400 € Gesamtkosten pro qm Wohnfläche. Die Berechnungen wurden im Frühjahr 2021 für die Verhandlungen mit der Stadt erstellt.

Die Baukosten sind inzwischen deutlich gestiegen, etwa um 10%. Dies betrifft alle Marktteilnehmer gleichermaßen und führt zu einem höheren Förderbedarf. Die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB) passt regelmäßig die Fördersätze an, das nächste Mal zum 31.1.2022. Entsprechend sind die Rechenmodelle für den Erstellungszeitpunkt im Frühjahr 2021 stichhaltig, müssten aber für einem neuen Betrachtungszeitpunkt im Jahr 2022 angepasst werden.

Die Modellrechnungen 1-3 errechnen den Zuschussbedarf bei verschiedenen Förderungsarten:

Tab. 1: Förderung durch ein kostenloses Darlehen (0%

Darlehenszinsen, 1,5% Tilgung, 1,5% Erbbauzins,

kein lfd. Zuschuss),

Tab. 2: Förderung durch ein kostenloses Darlehen und

null Prozent Erbbauzins (0% Darlehenszinsen,

2% Tilgung, 0% Erbbauzins, kein lfd. Zuschuss),

Tab. 3: Förderung durch laufende Zuschüsse (im ersten

Jahr 4,30 €/qm Wohnfläche, ferner 1,5% Darlehenszinsen, 2% Tilgung, 1,5% Erbbauzins),

Tab. 4 enthält eine Mischung: herkömmliche Bezuschussung (einmalige und laufende Zuschüsse

entsprechend den Hamburger Sätzen für Sozialwohnungen – 1. Förderweg, mit Nutzung günstiger Kredite von KfW und IFW).

Fazit: Die Arten der Förderung ergeben keine extremen Unterschiede hinsichtlich der Betriebsergebnisse. Für nicht renditeorientierte Wohnungsgesellschaften (z. B. öffentliche Wohnungsunternehmen, Genossenschaften) sind alle vier Modelle tragbar. Auch für die Stadt gibt es bei den Kosten keine gravierenden Unterschiede zwischen den vier Modellen. Dies bedeutet, dass die Stadt für nach unseren Forderungen errichtete Wohnungen keinen höheren Förderaufwand hat als bei den bisher für Sozialwohnungen (1. Förderweg) üblichen Förderungen.


b) Mietpreisbindung

Die Tabellen zeigen, dass eine Aufhebung der Mietpreisbindung aus finanziellen Gründen nicht erforderlich ist. Eine Befristung auf 15 Jahre, wie oft bisher, oder, wie vor kurzem angekündigt, auf 30 Jahre ist aus Gründen der Rentabilität nicht geboten. Nach Abzahlung der

Darlehen (je nach Finanzierung nach 30-50 Jahren) steigen die Überschüsse stark an. (Zum Beispiel in Tab. 3 von 1,1 % im 37. Jahr auf über 10 % im 39. Jahr). Daher ist es völlig abwegig, nach 30 Jahren die Mietpreisbindung aufzuheben. Eine Beendigung der Mietpreisbindung führt stufenweise völlig unnötig zu steigenden Mieten bis hin zur „ortsüblichen Miete“ und noch höher.3)

Nach dem Modell, das in Zürich für Mietwohnungen gemeinnütziger Träger gilt, müssen die Mieten sich an den Kosten orientieren und daher sogar gesenkt werden, wenn die Baukredite abbezahlt sind.4) Das ist vorbildlich!


3. Fazit

Die Kosten von nach unseren Forderungen errichteten Wohnungen liegen für die Stadt in etwa in der Höhe, mit der Hamburg Sozialwohnungen (1. Förderweg) fördert, bei denen ein Grundstückswert von 600 € pro qm Wohnfläche zugrunde gelegt wird. Dies sind im Fall unserer Modellrechnungen im ersten Jahr maximal 4,30 €/qm, dann schrittweise weniger (siehe Tabellen 3 und 4, Spalte „Laufende Zuschüsse“). Alle übrigen Kosten entfallen, insbesondere die Kosten für hohe, oft durch Spekulation verursachte Grundstückskosten. Eine dauerhafte Mietpreisbindung ist für die Stadt also kurz- und mittelfristig nicht teurer als die heutige Förderung des Sozialwohnungsbaus. Langfristig zahlt sie sich sehr aus.


Wer baut?

Es ist nicht gleichgültig, wer baut. Bei städtischen Wohnungsgesellschaften besteht immerhin so etwas wie eine öffentliche Kontrolle und Einflussmöglichkeit. Allerdings ist die SAGA eine Aktiengesellschaft und muss sich ans Aktienrecht halten, d.h. Gewinne erzielen. Besser wäre eine Umwandlung in eine Form von Gemeineigentum, bei der eine demokratisch kontrollierte Leitung möglich ist.

Bei Genossenschaften ist die Kontrolle auf deren Mitglieder begrenzt. Bei privaten Unternehmen gibt es keinerlei Kontrolle – dort gilt nur der Grundsatz höchstmöglicher Rendite.

In jedem Fall sind Träger zu bevorzugen, die gemeinnützig agieren, d.h. Gewinne nicht ausschütten, sondern reinvestieren. Dass Wohnungsunternehmen große Gewinne an ihre Anteilseigner ausschütten, ist völlig verfehlt.5)


Wie viel muss gebaut werden?

In Hamburg gab es 2019 insgesamt 454.000 Haushalte, die Anspruch auf eine geförderte Wohnung hatten. Dies waren fast 50 % aller Hamburger Haushalte. Dies hat trotz des umfangreichen Neubaus dazu geführt, dass es für Geringverdiener immer weniger Angebote geförderter Wohnungen gibt. Nach Berechnungen des Berliner Sozialwissenschaftlers Andrej Holm fehlen in Hamburg über 100.000 günstige Wohnungen.6)

Die Zahl der Sozialwohnungen ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Mitte der 1970er Jahre gab es in Hamburg etwa 400.000 Sozialwohnungen. Im Jahr 2000 waren es noch etwa 157.000, 10 Jahre später nur noch etwa 102.000 und im Januar 2021 nur noch ca. 75.600. Der Grund dafür ist das Auslaufen der Mietpreis- und Belegungsbindung bei einer großen Zahl von Wohnungen. Nach einer Prognose der Hamburgischen Investitions- und Förderbank wird die Zahl der Sozialwohnungen bis 2030 auf etwa 60.000 sinken.

Daher fordern wir, dass vor allem günstige Wohnungen gebaut werden. Die Stadt Hamburg hat in den vergangenen Jahren maximal etwa 3000 Sozialwohnungen

(1. Förderweg) pro Jahr auf städtischen und privaten Grundstücken errichtet.7) Die übrigen Wohnungen – frei finanzierte Miet- und Eigentumswohnungen – sind für finanziell Schwache unbezahlbar und auch für „Normalverdiener“ meist zu teuer.

Aus ökologischen Gründen liegt es nahe, dass weniger gebaut wird, weil Bauen für einen großen Teil der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist und weil beim Bauen immer mehr Flächen versiegelt werden. Eine oft favorisierte Lösung besteht daher darin, mehr günstige Wohnungen als bisher zu bauen, insgesamt aber weniger; denn für teure Wohnungen besteht wenig Bedarf. Dies entspräche auch den neusten Vorschlägen des Hamburger Klimabeirats und des BUND.8) Außerdem muss auf längere Sicht weniger gebaut werden, wenn die Mietpreisbindung, wie gefordert, unbefristet gilt und wenn Gebäude langlebig und für flexible Nutzung errichtet werden. Dies verringert die klimatischen Auswirkungen des Bauens erheblich; denn ein nachhaltiges Bauwerk ist eines, das nie abgerissen werden muss.

Allerdings hat die Diskussion darüber ein Problem ignoriert, das diese Lösung doch nicht als Allheilmittel erscheinen lässt: die Zuwanderung nach Hamburg. Die Hamburger Bevölkerung hat in den vergangenen neun Jahren (2011-2020) von ca. 1,72 Millionen auf ca. 1,85 Millionen zugenommen – ein Zuwachs von ca. 134.300 Menschen. Diese Zahl ist viel höher, als die Stadtplaner es noch vor wenigen Jahren für möglich hielten; 2011 rechnete man noch mit einer Zuwanderung von 50.000 bis maximal 100.000 Menschen bis zum Jahr 2030.9) Berücksichtigt man, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße in Hamburg bei 1,8 Personen liegt, dann waren für diesen Zuwachs ca. 74.600 Wohnungen erforderlich. Im selben Zeitraum wurden in der Stadt ca. 76.800 Wohnungen neu errichtet. So gesehen hat der Senat mit seiner Baupolitik also kaum mehr erreicht, als dass Wohnungen im Umfang des Netto-Zuzugs gebaut wurden.

Wie wird sich das Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren entwickeln? Dies hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der wirtschaftlichen Entwicklung in den ländlichen Gebieten Norddeutschlands, aus denen ja viele Menschen nach Hamburg kommen. Studien zeigen, dass Umzugsentscheidungen aus verschiedenen Motiven getroffen werden, insbesondere wegen beruflicher Chancen, wegen einer Ausbildung und aus beziehungsbezogenen Gründen.10) Die meisten dieser Menschen haben ein niedriges Einkommen. Man wird davon ausgehen müssen, dass die Wanderungsbewegung in die Städte in den nächsten Jahren weiter anhält. Die neuste Schätzung des Statistikamts Nord geht davon aus, dass die Einwohnerzahl Hamburgs bis 2035 um ca. 146.000 auf ca. 2,031 Millionen wachsen wird. Dies sind ca. 10.400 Menschen pro Jahr. Nach Angaben des Statistikamts Nord sind dafür ca. 74.000 neue Wohnungen, also ca. 5300 pro Jahr erforderlich.11) Angesichts der Tendenz zu Single-Haushalten dürfte der Bedarf in Wirklichkeit noch etwas höher liegen. Wohnungsbau im Umfang des Bevölkerungswachstums löst aber das Problem nur partiell. Wenn man davon ausgeht, dass gegenwärtig in Hamburg über 100.000 günstige Wohnungen fehlen, dann sollte die Gesamtzahl der Neuerrichtungen nicht nennenswert unter 10.000 Wohnungen pro Jahr liegen.

Die Stadt wäre aber gut beraten, nicht mehr auf das Konzept „Wachsende Stadt“ zu setzen. Der starke Zuzug zeitigt ja auch hohe Folgekosten für die Infrastruktur, z.B. beim Bau von Verkehrswegen und im öffentlichen Nahverkehr, bei der Versorgung mit Schulen, Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen.

Sozialwissenschaftler betonen, dass nicht nur Wohnungsmengen, sondern auch andere städtebaulich relevante Faktoren betrachtet werden sollten, z.B. die Altersstruktur, die Haushaltsgrößen, die Formen des Zusammenlebens, klimapolitische Anforderungen und der individuelle ökologische Fußabdruck. Zum Beispiel leben in den deutschen Großstädten meist in über 50% der Haushalte Singles, aber es gibt maximal ca. 25% kleine Wohnungen (unter 45 qm). Umgekehrt fehlen für Familien bezahlbare Wohnungen in ausreichender Größe. Daher könnte durch Umverteilung ein Teil der Wohnungsmisere gelöst werden. Allerdings hat sich gezeigt, dass dies meist schwierig ist, weil niemand gern von einer größeren in eine kleinere Wohnung zieht, wenn diese teurer ist. Außerdem sollten bei Neubauten in besonders hohem Maße Wohnungen für Singles errichtet werden. Auch Programme zur gezielten Förderung gemeinschaftlichen Wohnformen könnten einen spürbaren Effekt auf die Wohnversorgung haben.12)

Fazit: Unter den aktuellen Bedingungen ist eine erhebliche Reduzierung der Bautätigkeit, wie sie der Klimabeirat und der BUND vorschlagen, kaum vertretbar. Allerdings könnten teure Wohnungen größtenteils wegfallen, wenn dafür die Zahl der günstigen Neubauwohnungen stark erhöht wird. Auch durch Umverteilung von Wohnungen, durch neue Wohnformen und durch flexibles Bauen, bei dem die Wohnungsgröße leicht veränderbar ist, kann die Situation etwas entschärft werden. Wichtig ist es, beim Bauen auf ökologische Faktoren zu achten, insbesondere:

  • möglichst wenig neue versiegelte Flächen,
  • Bauweise mit niedrigem CO2-Ausstoß,
  • langlebiges Bauen mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten,
  • umbauen statt neu bauen
  • Schonung von Baumbeständen und Grünflächen.


Weitere Bedingungen künftigen Bauens

Die Methode der Konzeptausschreibung schien zunächst ein richtiger Schritt zu sein, entwickelte sich jedoch in eine problematische Richtung. Statt Baugrundstücke meistbietend zu versteigern und damit die Preisspirale anzutreiben, ist die Stadt Hamburg vor einigen Jahren dazu übergegangen, in Konzeptausschreibungen Gestaltungsvorschläge zu verlangen, um den besten Vorschlägen den Zuschlag zu geben. Das schien begrüßenswert. Inzwischen spielt allerdings, weil viele Anbieter anspruchsvolle Konzepte einreichen, doch der Preis wieder eine wichtige Rolle. Das hat folgenden Grund: Bei der Konzeptbewertung werden Punkte vergeben. In der Regel sind 70% der Punkte fürs Konzept vorgesehen, 30% für den Preis. Wenn viele Konzepte ähnliche Punktzahlen erreichen, ist letztlich der Preis entscheidend. Den Kaufpreis für Sozialwohnungen legt zwar die Stadt fest, aber beim „Drittelmix“ sind ja zwei Drittel der Wohnungen frei finanziert. In diesem Bereich sind die Bewerber gehalten, Preisangebote zu machen. Dadurch erhalten große Immobilienkonzerne, die hoch bieten, oft den Zuschlag, weil die sozialen Träger bei den Preisen nicht mithalten können.

Die Stadt Hamburg hat in den vergangenen Jahren immer wieder Grundstücke per Direktvergabe zu günstigen Preisen an die SAGA verkauft, damit diese günstige Mietwohnungen errichten konnte. Das ist sinnvoll und sollte auch auf andere gemeinwohlorientierte Träger erweitert werden, z.B. durch auf diese begrenzte Ausschreibungen. Die Behauptung, dies widerspreche den EU-Vergaberichtlinien, ist überaus vorsichtig. Viele andere deutsche Städte verfahren problemlos auf diese Weise. Überdies kann zur juristischen Absicherung bald das neue Gemeinnützigkeitsrecht im Wohnungsbau genutzt werden, das die neue Bundesregierung einführen will.

Die günstige Gestaltung der Bodenpreise für den geförderten Wohnungsbau (max. 600 € je qm Wohnfläche) muss unbedingt aufrechterhalten werden, wenn die Zahl der geförderten Wohnungen erhöht wird. Dies kann durch die städtebaulichen Entwicklungsinstrumente, die der Stadt zur Verfügung stehen (insbesondere Verträge mit den Investoren, die eine Bauerlaubnis wünschen) durchgesetzt werden. An die Stelle des Verkaufs von Grundstücken sollte jedoch immer das Erbbaurecht treten. Die Probleme, die z.Zt. noch zu Widerstand vor allem bei einigen Genossenschaften führen, sind lösbar.13) Erbbauverträge dienen nicht nur zur langfristigen Sicherung der Verfügungsrechte der Stadt, sondern auch zur rechtlichen Absicherung der erwünschten Überlassungsbedingungen, insbesondere der unbefristeten Mietpreisbindung sowie eines Verkaufsverbots; denn der Verkauf von Wohnungen (der ja auch unter dem Erbbaurecht möglich wäre) ist immer mit Gewinnmitnahmen und mit Kosten zu Lasten der Mieter verbunden.

Zu erwägen ist auch die Wiedereinführung des Kostenmietrechts. Bei der Kostenmiete handelt es sich um einen Mietzins, der zur vollständigen Deckung der laufenden Aufwendungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Finanzierungskosten erforderlich ist. Dies bedeutet unter anderem, dass Mieterhöhungen nur bei nachweislich gestiegenen Kosten gestattet sind. Umgekehrt müssen Mieten bei sinkenden Kosten vermindert werden, z.B. wenn nach der Tilgung von Krediten die finanziellen Belastungen stark sinken.14)

Auch die bereits bestehenden Wohnungen müssen hinichtlich der Mietpreisgestaltung in den Blick genommen werden. Kleine Verbesserungen (Verlängerung der Auswertungsperiode des Mietenspiegels auf sieben Jahre, Reduzierung der Mieterhöhungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten von 15 % auf auf 11 % innerhalb von drei Jahren) sind willkommen, genügen aber nicht. Viele Lücken im Mieterschutz müssen geschlossen werden. Zum Beispiel sollten Modernisierungen nur mit Zustimmung der Mieter möglich sein, um Missbrauch zu verhindern. Die Mietpreisgestaltung bei möblierten Wohnungen muss reguliert werden. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen muss weiter erschwert werden. Grundsätzlich muss verhindert werden, dass Immobilienkonzerne Wohnungen aufkaufen, um damit zu spekulieren und extensive Gewinne zu erzielen.

Die Stadt setzt immer noch überwiegend auf den freien Markt. Dies hat aber keine Lösung für das Wohnungsproblem erbracht. Der Wohnungsbau hat in etwa für das Bevölkerungswachstum ausgereicht.15) Währenddessen sind die Wohnungspreise weiter gestiegen. Benötigt werden viel mehr günstige Wohnungen. Die Neubauwohnungen des freien Wohnungsmarkts, die z.Zt. ca.

70 % der Neubauten ausmachen, sind für niedrige und mittlere Einkommen viel zu teuer. Die Zahl der Sozialwohnungen ist in den vergangenen Jahrzehnten wegen des Auslaufens der Bindungsfristen immer weiter gesunken.

Um diesen Trend umzukehren, sollte die Anzahl der geförderten Wohnungen massiv erhöht (z. B. verdoppelt) werden. Hamburg braucht weit mehr preisgebundenen Wohnungsbau, möglichst durch gemeinnützige Träger auf günstigen städtischen Grundstücken und mit dauerhafter Mietpreisbindung. Dabei sollten ökologische Gesichtspunkte stärker als bisher berücksichtigt werden.

Hermann Kaienburg

Anmerkungen:

  1. Unser Anliegen ist nicht, dass mit Boden und Wohnraum Profite erwirtschaftet werden. Sinnvoll ist ein Konzept der Kostendeckung.
  2. Bei allen relevanten Größen wird in den Tabellen von jährlichen Preissteigerungen ausgegangen (z.B. bei Instandhaltung, Verwaltung, Bewirtschaftungskosten, Mietausfallwagnis). Auch bei den Mieten sind die vom Hamburger Senat beschlossenen zweijährlichen Steigerungen um 10 Cent berücksichtigt.
  3. Erlaubt sind Mieten, die max. 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Erhöhung darf aber höchstens 15% (demnächst 11%) innerhalb von drei Jahren betragen.
  4. Vgl. dazu den Beitrag „Modell Zürich“ in unserem Newsletter Nr. 8, S.1.
  5. Ein Beispiel: Der Immobilienkonzern Vonovia verzeichnet immer wieder steigende Gewinne. Für das Jahr 2021 erwartet er ein operatives Ergebnis von 1,52 bis 1,54 Milliarden Euro, das sind ca. 12-14 % mehr als im Vorjahr. Bereits 2020 hatte das Unternehmen seinen Gewinn um 11 % gesteigert. Diese Gewinne bezahlen die Mieter. Noch nicht in die Prognose einbezogen sind die Zahlen der Deutschen Wohnen, an der Vonovia seit kurzem 87,6 % hält. Vgl. FAZ, 5.11.21.
  6. Quelle: siehe unten (Fußnote 5).
  7. In den vergangenen Jahren waren es meist ca.25% der Neubauten im ersten und 5% im zweiten Förderweg.
  8. Der Klimabeirat schlägt vor, statt 10.000 Wohnungen pro Jahr nur die Hälfte zu bauen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Hamburg (BUND) hat sich dem angeschlossen. Er ergänzt, dass der Focus beim Bauen darauf liegen solle, bezahlbaren Wohnraum vorrangig für Normal- und Geringverdienende zu schaffen. Vgl. Pressemeldung des Klimabeirats v.10.12.21 und des BUND v.10.12.21.
  9. Diese Annahme wurde 2014 in einer Publikation der Stadt vertreten. Vgl. Grüne, gerechte, wachsende Stadt am Wasser. Perspektiven der Stadtentwicklung für Hamburg, Hrsg.: Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg Mai 2014, S. 8f., https://www.hamburg.de/ contentblob/4309812/72bbf7e42477706605e49ed206a8e7a2/data/broschuere-perspektiven.pdf.
  10. Vgl. Andrej Holm u.a.: Die Verfestigung sozialer Wohnungsprobleme. Entwicklung der Wohnverhältnisse und der sozialen Wohnversorgung von 2006 bis 2018 in 77 deutschen Großstädten. Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 217, Juni 2021; Mitteilung Andrej Holm an den Autor v.25.10.21.
  11. Klimabeirat Hamburg: Klimapolitische Empfehlungen an den Hamburger Senat 2021 v.8.12.21, Abschn. 3.1.
  12. Quelle: Siehe Fußnote 5.
  13. Das Hauptproblem bei Erbbauverträgen wird von einigen Investoren darin gesehen, dass nach Ablauf der Verträge die Kosten in die Höhe schnellen, wenn die Verkehrswerte der Grundstücke stark gestiegen sind. Dem dürfte mit Modellen kontinuierlicher, langsamer Preissteigerungen zu begegnen sein.
  14. Dies gilt bis heute z.B. in Zürich für besondere öffentlich geförderte Wohnprojekte. Vgl. den Bericht über das Modell Zürich in unserem Newsletter Nr. 8/2021, S.1.
  15. Vgl. Bürgerschaftsdrucksache 22/5066 incl. Anlage.